Spaltung im Islam: Eine vergessene Wahrheit
„Bist du Sunnit oder Schiit?“ – Eine Frage, die oft gestellt wird, aber viel mehr bedeutet, als sie auf den ersten Blick vermuten lässt. Sie wird aus Neugier gestellt, manchmal auch, um herauszufinden, zu welcher „Seite“ jemand gehört. Doch was wäre, wenn wir einfach antworten würden:
„Ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin einfach ein Muslim – ein Mensch, der sich Gott unterwirft, wie es Allah im Koran befohlen hat.“
Diese Antwort, die tief im Koran verankert ist, wird oft mit Verwirrung oder sogar Ablehnung begegnet. Und genau diese Reaktionen sollten uns zum Nachdenken anregen:
Wie sind wir an diesen Punkt gekommen?
Wie ist es möglich, dass der einfache Begriff „Muslim“ nicht mehr ausreichend ist, um den Glauben zu beschreiben?
Was bedeutet es wirklich, ein Muslim zu sein?
Das Wort „Muslim“ kommt vom arabischen Wort „Islam“, was „Unterwerfung“ oder „Hingabe“ bedeutet. Ein Muslim ist also jemand, der sich freiwillig Gott unterwirft und seinem Willen folgt. Es geht nicht um Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Sekte, sondern darum, im Einklang mit den Prinzipien zu leben, die im Koran verankert sind.
Wenn wir uns Muslime nennen, bedeutet das, einem Glauben zu folgen, der über Labels, Spaltungen und Sekten hinausgeht. Wahre Hingabe an Gott bedeutet, in Einheit dem einen wahren Gott zu dienen, anstatt uns in verschiedene Gruppen zu spalten.

1. Kein Platz für Spaltungen
Der Koran ist eindeutig, wenn es um Spaltungen unter den Gläubigen geht. Er fordert uns nicht auf, Sunniten, Schiiten, Hanafiten, Salafiten oder eine andere Bezeichnung zu tragen – er verlangt von uns Einheit.
📖 Surah Aal-e-Imran 3:19
„Gewiss, die Religion bei Allah ist der Islam (Unterwerfung, Hingabe an Gott). Doch diejenigen, denen die Schrift gegeben wurde, wurden erst uneinig, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war – aus Ungerechtigkeit/ Rebellion/Neid [بغيا]untereinander. Doch wer Allahs Zeichen verleugnet, für den ist Allah schnell im Abrechnen.“
📖 Surah Aal-e-Imran 3:103
„Haltet alle zusammen fest am Seil Allahs und spaltet euch nicht.“
📖 Surah Al-An’am 6:159
„Wahrlich, diejenigen, die ihre Religion gespalten haben und in Sekten zerfallen sind, haben nichts mit dir zu tun. Ihr Fall liegt bei Allah, und Er wird sie über das informieren, was sie getan haben.“
📖 Surah Ar-Rum 30:31-32
Und ihr sollt nicht zu den Polytheisten gehören, zu denen, die ihren Glauben gespalten haben und zu Parteien geworden sind - jede Partei freut sich über das, was sie selbst hat.
Der Koran spricht sich also nicht nur gegen Spaltungen aus, sondern verurteilt sie. Wer sich in Sekten teilt, hat nicht Allahs Zustimmung.
Doch die heutige muslimische Welt ist genau von diesen Spaltungen geprägt. Wenn wir den Koran als unseren Leitfaden nehmen, müssen wir uns fragen: Folgen wir wirklich dem Islam, oder den Spaltungen, die über die Jahre entstanden sind?

2. Warum gibt es Spaltungen im Islam?
Ein häufiger Grund für die verschiedenen Glaubensrichtungen wird als „unterschiedliche Interpretationen“ angegeben. Doch ist das wirklich der wahre Grund?
Der Koran zeigt uns die unangenehme Wahrheit:
📖 Surah Ash-Shura 42:14
„Und sie spalteten sich erst, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war, aufgrund von Ungerechtigkeit/ Rebellion/Neid [بغيا] untereinander. Und wäre es nicht für ein bereits ergangenes Wort deines Herrn, wäre das Urteil schon längst über sie gefallen. Und wahrlich, diejenigen, die das Buch nach ihnen erben, befinden sich in zweifelhafter Unsicherheit darüber.“
Diese Spaltungen entstanden nicht aus Unwissenheit – sondern aus Eitelkeit, Machtkämpfen und Neid.
📖 Surah Al-Baqarah 2:213
„Die Menschheit war eine einzige Gemeinschaft; dann sandte Gott die Propheten, die frohe Botschaften und Warnungen brachten. Und Er sandte mit ihnen die Schrift, die Wahrheit, um zwischen den Menschen in ihren Differenzen zu urteilen. Aber es waren nur diejenigen, die sie erhielten, die sich darüber stritten – nachdem die klaren Beweise zu ihnen gekommen waren – aus Ungerechtigkeit/ Rebellion/Neid [بغيا] untereinander. Dann leitete Gott diejenigen, die glaubten, zur Wahrheit, über die sie stritten, gemäß Seinem Willen. Gott führt, wen Er will, auf den rechten Weg.“
Auch wenn klare Führung gegeben wird, neigt der Mensch dazu, die Dinge zu verkomplizieren. Anstatt Einheit zu akzeptieren, entstehen Streitigkeiten, es werden Grenzen gezogen und Spaltungen eingeführt, wo keine hätten sein sollen.
Heute erben die meisten Muslime ihre Glaubensrichtung ohne Fragen zu stellen und gehen davon aus, dass sie auf dem „richtigen Weg“ sind, nur weil dieser ihnen überliefert wurde.

3. Die Mehrheit ist auf dem falschen Weg
Viele glauben, dass Sekten, weil sie die Norm sind, zwangsläufig richtig sein müssen. Schließlich, wie könnte die Mehrheit sich irren?
Doch der Koran warnt davor, der Masse blind zu folgen:
📖 Surah Al-An’am 6:116
„Wenn du den meisten von denen, die auf der Erde sind, gehorchst, werden sie dich von Allahs Weg ab in die Irre führen. Sie folgen nur Mutmaßungen, und sie stellen nur Schätzungen an.
📖 Surah Yusuf 12:106
„Und die meisten von ihnen glauben nicht an Allah, ohne (Ihm andere) beizugesellen.
📖 Surah Al-Baqarah 2:170
„Und wenn man zu ihnen sagt: "Folgt dem, was Allah herabgesandt hat", sagen sie: "Nein! Vielmehr folgen wir dem, worin wir unsere Väter vorgefunden haben." Was denn, auch wenn ihre Väter nichts begriffen und nicht rechtgeleitet waren?“
Die Zugehörigkeit zur Mehrheit bedeutet nicht automatisch die Wahrheit. Die Geschichte hat uns immer wieder gezeigt, dass die Mehrheit nicht immer recht hat. Wenn die meisten Menschen Spaltungen folgen, macht das diese nicht wahr – es bedeutet lediglich, dass die Mehrheit unkritisch den überlieferten Traditionen folgt.
Und der Koran fordert uns immer wieder dazu auf, selbst zu denken und kritisch zu hinterfragen...

4. Die Gefahr, Gelehrten blind zu folgen
Eine häufige Antwort auf die Ablehnung von Sekten ist: „Aber mein Gelehrter sagt…“
Doch der Koran warnt uns davor, religiösen Führern blind zu folgen:
📖 Surah At-Tawbah 9:31
„Sie haben ihre Gelehrten und Priester anstelle von Gott zu Herren genommen.“
📖 Surah Al-Ahzab 33:67
„Und sie sagen: "Unser Herr, gewiß, wir haben unseren Herrschern und unseren Großen gehorcht, und da haben sie uns vom Weg abirren lassen.
📖 Surah Aal-e-Imran 3:78
Und wahrlich, eine Gruppe von ihnen verdreht mit seinen Zungen die Schrift, damit ihr es für zur Schrift gehörig haltet, während es nicht zur Schrift gehört. Und sie sagen: "Es ist von Allah", während es nicht von Allah ist. Und sie sprechen (damit) wissentlich eine Lüge gegen Allah aus.
Kein Gelehrter—egal wie gebildet—hat die Autorität, die Gebote Allahs zu übergehen.
Die Wahrheit gehört nicht einer Sekte, einer Rechtsschule oder einem Gelehrten. Die Wahrheit gehört allein Allah.

5. Die einzig wahre Identität
Wenn der Koran uns also zur Einheit aufruft, wie sollten wir uns dann selbst bezeichnen?
📖 Surah Al-Hajj 22:78
„Und strebt für Gott, wie es Ihm gebührt. Er hat euch erwählt und euch keine Schwierigkeit im Glauben auferlegt—den Glauben eures Vaters Ibrahim. Er nannte euch bereits zuvor ‚die, die sich Gott unterwerfen‘ (Muslime), und (nunmehr) in diesem (Buch), auf daß der Gesandte Zeuge über euch sei und ihr Zeugen über die Menschen seid. So etabliert den Salat, gebt die Zakat und haltet euch fest an Gott; Er ist euer Beschützer. Wie großartig ist der Beschützer! Und wie großartig ist der Helfer!
Allah selbst gab uns unseren Namen: Muslime/Die sich Gott unterwerfenden. Nicht Sunniten. Nicht Schiiten. Nicht Salafisten.
Doch heutzutage ruft die Vorstellung, sich einfach als „Muslim“ zu bezeichnen, oft Nachfragen hervor. „Aber was für ein Muslim?“ fragen die Leute. „Welcher Glaubensrichtung gehörst du an?“
Als ob Allahs Definition nicht ausreichen würde.
Ein letzter Gedanke: Was wirst du wählen?
Wenn dich das nächste Mal jemand fragt: „Bist du Sunnit oder Schiit?“ Was wirst du sagen?
Wirst du weiterhin einer von Menschen erschaffenen Identität folgen, oder wirst du mutig die Identität annehmen, die Allah dir selbst gegeben hat?